Ver-Geben

 

Anleitung zum Unglücklichsein:

      

Handle nach dem Motto: Verzeihen und Vergeben ist etwas für Schwächlinge!

Zeige ihnen allen, wie sehr du deren Verhalten verurteilst und verachtest!

      

Schmolle und grolle bei Kränkungen und Verletzungen!

 

Sei nachtragend!

Lass sie spüren, dass du ein Elefantengedächtnis hast und NICHTS vergisst!

Habe kein Verständnis für das Verhalten anderer!

 

Betone immer wieder, dass dir so etwas nicht passieren könnte!

Sei selbstherrlich!

 

Sei rechthaberisch und oberlehrerhaft!

So, wie du deine Fehler und Schwächen nicht verzeihen solltest, so solltest du auch bei anderen unbarmherzig sein, damit sich alle – dich eingeschlossen – ständig mies und schuldig fühlen.

 

Willst du weiterhin unglücklich bleiben, so lasse keine Nachsicht walten und verzeihe keine Fehler!

Reibe anderen ständig deren Fehler unter die Nase!

 

Sei verbittert! Lass´ auch Unbeteiligte an deinem Rachefeldzug teilhaben!

      

Anleitung zum Glücklichsein:

"Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken“ – das hat der indische Freiheitskämpfer, Mahatma Gandhi, schon festgestellt. 

Und ich stelle fest: Beim Vergeben geht es in erster Linie ums Geben. Man gibt etwas und zwar in erster Linie sich selbst. Die Vorsilbe Ver-Geben deutet einen Richtungswechsel an. Und dieser ist unumgänglich, wenn man zufrieden, friedvoll und glücklich werden will.

 

Schuldig werden wir auf der menschlichen Ebene, Vergebung liegt hingegen auf einer übergeordneten Ebene. Auf der menschlichen Ebene regieren der Verstand und sein Ego. Auf der übergeordneten Ebene gelten andere Gesetze, Gesetze der Liebe. In erster Linie der Eigenliebe.

 

Einem anderen Menschen verzeihen: Diese Idee ist schon sehr alt. Schließlich drehen sich schon in der Bibel zahlreiche der Texte darum. Der einfache Satz „Ich verzeihe dir“ löst starke Emotionen aus und scheint mit einer nahezu magischen Bedeutung aufgeladen zu sein.

 

Vergebung ist kein leichtes Unterfangen: Gedanken, Empfindungen, Willensimpulse, die sich mit einem Ereignis, einer Situation oder einem Umstand von Schuld verbunden haben, loszulassen, erfordert Kraft und einen starken Willen. Und vor allem erfordert es die Überzeugung, dass man in erster Linie vergibt, um sich selbst besser zu fühlen.

 

In nahezu jedem von uns existiert eine schwarze Liste, in die wir Ereignisse eintragen, die wir anderen oder uns selbst nicht verzeihen können. Oder vielmehr wollen. Fast jeder Mensch hat in seinem Innern ein paar „unerledigte Geschäfte“ dieser Art.

 

Kleinigkeiten wie der vergessene Geburtstag, kein ausuferndes Danke für unser tolles Geburtstagsgeschenk oder auch tiefer gehende Verletzungen wie eine lieblose Erziehung, Untreue, Verrat, Betrug oder eine ungerechte Aufteilung eines Erbes. Wie oft rufen wir diese Verletzungen ab und erleben sie in der Phantasie immer und immer wieder aufs Neue. Tobt in uns dieser Groll der alten Verletzungen, so lassen wir uns immer wieder auf eine Reise in die Vergangenheit ein. Wir können die verletzenden Situationen mühelos wieder herauspicken, als lägen sie direkt unter der Oberfläche, jederzeit zur Abholung bereit.

 

Wenn wir gekränkt, verletzt, verlassen, gedemütigt werden, glauben wir unbewusst, den anderen damit zu bestrafen, wenn wir ihm oder ihr nicht vergeben. Wir möchten uns gleichsam für die erlittenen Schmerzen, die Scham oder die gefühlte Demütigung rächen. Auge um Auge.

 

Rache ist ein Bedürfnis, das zwar menschlich und nachvollziehbar, aber leider nicht nützlich und erst recht nicht Erfolg versprechend ist.

 

Aber dennoch, das Gefühl ist da und es bohrt sich immer tiefer in unser Herz – weil wir es zulassen. Groll, Hass, Wut, Verbitterung, Enttäuschung und der unbändige Wunsch, uns zu rächen, es dem anderen heimzuzahlen oder unsere Verbitterung sogar andere, Unbeteiligte spüren zu lassen,  beherrschen den Kopf und irgendwann vielleicht sogar den Alltag.

 

Wann immer wir einem anderen grollen oder mit unserem Schicksal immer und immer wieder hadern, bestrafen wir uns selbst. Und zwar ausschließlich uns.

 

Wir bleiben in einer emotionalen Endlosschleife gefangen, halten den Schmerz am Leben, den wir bereits erfahren haben und verurteilen uns dadurch selbst dazu, nicht vergessen zu können.

 

Und so halten wir die Gedanken und den damit verbundenen Schmerz an das, was uns angetan wurde, unermüdlich wach und füttern sie mit immer mehr Groll und Wut. Wer auf diese Weise an seinem Schmerz festhält, bestraft sich letzten Endes selbst.

 

Denn: Man kann nicht selbst Gift schlucken und hoffen, dass es dem anderen schadet!

 

Ich habe darüber hinaus irgendwann erkannt, dass es durchaus ein universelles Gesetz des Ausgleichs gibt. Das Leben gleicht Recht und Unrecht, Gutes und Schlechtes früher oder später wieder aus. Menschen, die verletzt, die betrogen, die hintergangen haben, die sich respektlos oder egoistisch zeigten, erhalten irgendwann dafür eine saftige Quittung. Jede Rechnung im Leben muss bezahlt werden. Nicht immer sofort und manchmal über Umwege. Aber ich glaube daran, dass ein Mensch, der Schlechtes getan hat und ein großes Unheil über andere gebracht hat, dafür auch bezahlen wird – irgendwann und irgendwie. Wir sind nicht auf der Welt, um über andere zu richten.

 

Verzeihen ist ein Akt der aktiven Lebensgestaltung, wir übernehmen damit Eigenverantwortung. Wer verzeiht, lässt nicht zu, dass andere Menschen oder vergangene Ereignisse das eigene Leben dauerhaft beeinflussen können. Nur wer vergeben kann, öffnet sich für Neues. Nur wer vergibt, ist in der Lage, die alten Türen des Lebens zu schließen und neue zu öffnen.

 

Das Potential an Kraft, Stärke und Glücksgefühl, das hinter der Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe steht, ist von enormer Größe. Einem anderen Menschen zu verzeihen, ist eine starke Geste. Es bedeutet, mit den eigenen unangenehmen Gefühlen abzuschließen, Verzeihen bedeutet Loslassen, es bedeutet Neuanfang, es bedeutet Reinigung. Die aufrichtige Bereitschaft zur Vergebung ist ein deutliches Zeichen innerer Stärke, zeugt von geistigem Tiefgang und persönlicher Reife.

 

Verzeihen bedeutet keineswegs, dass wir das Verhalten des anderen gut und richtig heißen. Es bedeutet auch nicht, dass wir darüber hinwegsehen. Und es spricht den anderen nicht von der Schuld frei. Wenn wir jedoch verzeihen, dann überwinden wir unseren eigenen Ärger, unsere eigene Enttäuschung, unseren eigenen Schmerz. Wir akzeptieren die Vergangenheit als das, was sie ist: vergangen. Und befreien uns von all den belastenden, quälenden Gefühlen der Vergangenheit, erlauben es den Wunden, zu heilen. Wenn wir verzeihen, dann entscheiden wir, es nicht länger zuzulassen, dass etwas aus der Vergangenheit unser eigenes Lebensgefühl dauerhaft negativ beeinflusst. An Altem festzuhalten, an Schmerz, Verletzungen, Enttäuschungen der Vergangenheit, macht nur unglücklich, verbittert und erschwert das Leben. Wir ändern nicht das, was geschehen ist, aber wir ändern den eigenen Umgang damit.

 

Wenn wir verzeihen, dann machen wir uns selbst das größte Geschenk. Denn nicht zu verzeihen bedeutet, Groll und Schmerz zu hegen, die jahrelang auf unserer Seele lasten können.

 

Der innere Frieden ist viel wichtiger und kostbarer, als Wut und Enttäuschung gegen den, der unsere Erwartungen nicht erfüllt hat.

 

Genauso wichtig, wie anderen verzeihen zu können, ist es, uns selbst zu verzeihen und vergeben zu können. Strebt man ein glückliches, zufriedenes Leben an, führt kein Weg daran vorbei.

 

Groll, den wir gegenüber uns selbst hegen, weil wir uns bestimmte Eigenschaften, Gefühle oder Verhaltensweisen nicht verzeihen können, richtet bei uns denselben Schaden an, wie Groll einem anderen gegenüber.

 

Solange wir eine dunkle Seite von uns leugnen oder uns dafür selbst schonungslos verurteilen, solange übt sie einen negativen Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln aus. Nur, wenn man dazu bereit ist, die eigenen Fehler sich selbst zu vergeben, wird man in der Lage sein, auch anderen vergeben zu können.

 

Man muss sich entscheiden. Will man die positiven oder die negativen Gefühle pflegen? Das liegt bei uns. Und je nachdem, für welche wir uns entscheiden, werden wir glücklich oder unglücklich sein. So einfach.

 

Wie in der alten Indianer-Erzählung:

 

Ein Indianerhäuptling erzählt seinem Sohn eine Geschichte:

 

„In jedem von uns tobt ein Kampf zwischen 2 Wölfen. Der eine Wolf ist böse. Er kämpft mit Neid, Eifersucht, Ärger, Sorgen, Arroganz, Egoismus, Gier, Selbstmitleid, Lügen und Missgunst und Dunkelheit.

 

Der andere Wolf ist gut. Er kämpft mit Liebe, Frieden, Freude, Gelassenheit, Humor, Hoffnung, Güte, Großzügigkeit, Mitgefühl, Dankbarkeit, Wahrheit, Vertrauen und Licht.

 

Der Sohn fragt: Und welcher der beiden wird gewinnen?

 

Der Vater antwortet: Der, den du fütterst.“

 

Alles steht und fällt also mit der Fähigkeit, den guten Momenten, den guten Eigenschaften und Erfahrungen im Leben einen wichtigeren Platz zuzuschreiben als den schlechten. Und diese Fähigkeit kann man lernen.

 

Dem zugrunde liegen eine Entscheidung und nur eine Voraussetzung.

 

Glück ist eine Entscheidung.

 

Ein reines Herz ist die Voraussetzung.

 

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