Zwischen zwei Welten - ein Weckruf

Mein Name ist Basia. Geboren in Polen, bin ich in Deutschland aufgewachsen, wo ich nicht nur eine neue Heimat, sondern auch einen Teil meines Herzens gefunden und verankert habe. Ich bin Ehefrau. Ich bin Hunde-Mami. Freundin, Tochter, Enkelin, Nichte, Cousine. Ich bin Arbeitskollegin, Nachbarin. Ich bin ein Mensch, wie du.

Ich habe Deutsch gelernt, die hiesige Kultur angenommen, tiefe Freundschaften geschlossen, meine Schullaufbahn absolviert und studiert. Dieses Land ist nicht nur der Ort meines Lebens, sondern der Puls meines Zuhause-Herzens. 


Seit 1996 bin ich im deutschen Staatsdienst  und habe mich als Teil der Interkultur, die mich umgibt, fest verwurzelt. Meine Identität als Mensch steht über allem – unabhängig von Status, unabhängig von Staatsangehörigkeit. Ich begegne jedem Menschen auf Augenhöhe, schon immer.


Ich kämpfe seit Jahren gegen die rassistischen und rechtsextremistischen Strukturen in diesem Land, kläre auf, ermahne, halte konsequent dagegen,  erhebe meine laute Stimme gegen Menschenfeinde. Stets voller Vertrauen auf unsere demokratischen Grundfeste.

Doch plötzlich gerät die festgefügte Grundlage meines Lebens ins Wanken. Das Credo des "never again" – dass nie wieder eine Zeit der Unsicherheit und Angst über uns hereinbricht – wird nun sehr greifbar durch perfide politische Fantasien bedroht.

Die AfD, hochrangige Nazis, aber auch  andere Parteien aus der 'bürgerlichen Mitte' hegen niederträchtige Vorstellungen von Massendeportationen, die eine tiefe Angst in mir auslösen. Ich, wie viele andere mit Migrationshintergrund, könnte in dieser niederträchtigen Fantasie in einem der Deportationszüge sitzen, und meine deutsche Staatsangehörigkeit würde mich nicht retten. 


Ein Albtraum, der sich in diesen Tagen über Wegbegleiter, Freunde, Arbeitskollegen und Familienmitglieder legt. Wie eine dunkle, unheilvolle Wolke des Grauens.

Wo bleibt der große Aufschrei gegen diese dystopischen Vorstellungen dieser Kleingeistigen? Wo sind die Konsequenzen für eine Partei, die im Jahr 2024 tatsächlich den feuchten Traum von Massendeportationen träumt und es süffisant den 'Masterplan' nennt?

Es ist an der Zeit, dass die schweigende Mehrheit aufwacht und sich gegen diese Bedrohung spürbar erhebt. Der Frieden, den wir in unserer kulturellen Vielfalt gefunden haben, steht auf dem Spiel.

Die Ängste, die diese politischen Fantasien auslösen, sind berechtigt und tiefgreifend. Als Teil der Migrations-Community wird die Unsicherheit über die Zukunft zu einem täglichen Begleiter. Die Vorstellung, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Migrationshintergrunds verfolgt und abgeschoben werden könnten, schafft eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens. Sogar Menschen mit fest etablierter Staatsangehörigkeit, wie ich selbst, fühlen sich plötzlich unsicher und aufgeschreckt. Schließlich weiß jeder, dass ein solcher Albtraum in der Vergangenheit hier in Deutschland bereits zu einer entsetzlichen Realität geworden ist.

In dieser düsteren Vorstellung würden  nicht nur Menschen einfach verschwinden, Menschen, die zu uns gehörten, die wir schätzten und liebten, sondern auch die bunten Facetten des Lebens. Es gäbe keine ausländischen Restaurants, keine kulinarische Vielfalt. Stille würde die Musik verschiedener Kulturen ersetzen, Kunst und Bücher würden im Dunkel versinken. Die intellektuelle Vielfalt würde erlöschen.die Sprache würde ihre Lebendigkeit verlieren. Die Straßen würden nicht nur leer, sondern auch leblos wirken, ohne das Lachen der Nachbarn, das Plaudern mit Arbeitskollegen, das Vertrauen in Freunde und die Wärme der Familie. 


Es muss jedem  klar sein, dass der Hass und die Ablehnung sich früher oder später auch auf andere, willkürlich gewählte Menschengruppen ausweiten könnte. So verhält es sich nunmal mit den bösen Geistern, die man ruft. Irgendwann gibt es kein Halten mehr. Und wenn die Menschlichkeit keinen Platz mehr in der Politik findet, sind alle in Gefahr.

Es wäre ein graues Deutschland, das seine Seele verloren hat. Das Fehlen von Vielfalt und Kultur würde ein trostloses Deutschland hinterlassen, geprägt von Stille und einem verlorenen Zusammenhalt.

Die Grundfesten unseres Zusammenlebens stehen auf dem Spiel. Freiheit, die wir als selbstverständlich erachten, wird konkret bedroht. Die Arbeit, die wir mit Stolz verrichten, könnte uns nicht mehr vor Willkür schützen. Das Zuhause, das wir mit Liebe gestaltet haben, könnte durch eine politische Agenda in Gefahr geraten. Diese Ängste sind nicht nur individuell, sondern durchziehen in diesen Tagen die gesamte Migrations-Community.

Es ist an der Zeit, sich gegen die schleichende Normalisierung dieser Ängste zu wehren. Es ist Zeit, Verharmlosungs- und Relativierungsversuche im Keim zu ersticken und nicht zuzulassen. Die schweigende Mehrheit darf nicht länger schweigen. Wir müssen aufstehen und für unsere Überzeugungen kämpfen. Alle gemeinsam! Die Vision einer Gesellschaft, die auf Solidarität und Menschlichkeit basiert, darf nicht den Fantasien derer geopfert werden, die eine Spaltung herbeisehnen.

In einer Zeit, in der der politische Diskurs oft von Lautstärke und Polemik geprägt ist, ist es umso wichtiger, dass wir als Gemeinschaft ruhig und nachdrücklich auf die Bedrohungen hinweisen, die uns alle betreffen. Zeigt euch! Gebt dem Ganzen ein Gesicht! Der Albtraum der Massendeportationen darf nicht Realität werden. Es ist an der Zeit, dass jeder Einzelne von uns sich erhebt und für die Werte eintritt, die unsere Gesellschaft zusammenhalten.

Unsere Vielfalt ist unsere Stärke, und wir dürfen nicht zulassen, dass sie durch Angst und Spaltung erstickt wird.

Lasst das 'never again' nicht zu einer leeren, abgedroschenen Floskel werden.


Never again is now!